Ein Beitrag von Birgit Kogler BSc, Diätologin:
https://www.ernaehrungsberatung-kogler.at/

Eiweißbedarf im Sport

Wusstest du, dass …

… der Eiweißbedarf bei 1,3 bis 1,8 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht liegt –
unabhängig von der Sportart?
… nicht dein Eiweißshake nach dem Training für optimalen Muskelzuwachs sorgt,
sondern die Gesamt-Eiweißzufuhr über den Tag verteilt entscheidend ist?
… Eiweiß allein nach dem Training nicht ausreicht,
sondern mit Kohlenhydraten kombiniert werden soll?
… es einen „Muskel-Voll-Effekt“ gibt?
… „viel hilft viel“ nicht in Bezug auf die Eiweißzufuhr gilt?

Eiweiß gilt im Sport als der wichtigste Nährstoff, wenn es um Muskelaufbau, Körperdefinition und Kraftzuwachs geht. Die Palette an Eiweißshakes, Proteinriegeln und Aminosäurensupplementen wird deshalb immer größer. Bei vielen Sportbegeisterten scheint das Motto zu gelten: Viel hilft viel. Doch stimmt das auch? Oder kann eine zu hohe Eiweißzufuhr schaden?

Eiweiß, auch Protein genannt, ist ein energieliefernder Nährstoff (4 kcal pro Gramm), der im Körper für viele wichtige Funktionen benötigt wird:

  • Aufbau von Enzymen, Hormonen und Substanzen im Immunsystem
  • Bestandteil von Strukturelementen (Aktin und Myosin) in der Muskulatur und in Sehnen (Kollagen)

Die unterschiedlichen Eiweißstrukturen werden vom Körper selbst aus 20 Aminosäuren aufgebaut. Acht Aminosäuren sind dabei essenziell, also unentbehrlich, und müssen über die Nahrung zugeführt werden. Die restlichen zwölf Aminosäuren können vom Körper selbst hergestellt werden, sofern die Ausgangssubstanzen vorhanden sind (v.a. bei Cystein und Tyrosin). Histidin ist nur für den Säugling essenziell.

Essenzielle Aminosäuren
Isoleucin1

Leucin1

Valin1

Lysin

Methionin

Phenylalanin

Threonin

Tryptophan

1 Branched-chain amino acis (BCAA)

Nicht-essenzielle Aminosäuren
Alanin

Arginin

Asparagin

Asparaginsäure

Glutamin

Glutaminsäure

Glycin

Prolin

Serin

Histidin2

Cystein2

Tyrosin2

2 bedingt essenziell

Eiweiß in Lebensmitteln & Bedarf

Eiweiß kommt sowohl in pflanzlichen als auch in tierischen Lebensmitteln vor:

  • Tierische Eiweißlieferanten: Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Eier
  • Pflanzliche Eiweißlieferanten: Getreideprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen

Eiweiß ist also in vielen verschiedenen Lebensmitteln vorhanden, sodass der Proteinbedarf von gesunden Erwachsenen (0,8 g pro kg Körpergewicht laut D-A-CH Referenzwerte) problemlos gedeckt werden kann.

Eiweißbedarf im Sport

Im Sport ist aufgrund des gesteigerten Energiestoffwechsels und aufgrund von Abbauprozessen in der Muskulatur, die durch eine intensive körperliche Belastung entstehen, der Eiweißbedarf erhöht. Dabei ist nicht nur die Eiweißmenge, sondern vor allem die Eiweißqualität entscheidend. Grundsätzlich gilt, dass tierisches Eiweiß für den Körper hochwertiger ist, da die Aminosäurenzusammensetzung besser dem menschlichen Körpereiweiß entspricht.

Bei pflanzlichem Eiweiß ist der Gehalt an essenziellen Aminosäuren geringer, sodass größere Mengen verzehrt werden müssen, um einen annähernd ähnlichen Effekt zu erzielen. Durch gezielte Lebensmittelkombinationen (z.B. Getreide mit Bohnen, Bohnen mit Mais) kann aber auch bei pflanzlichen Eiweißlieferanten die Proteinqualität verbessert werden. Hülsenfrüchte sollten deshalb mehrmals pro Woche als Eiweißquelle in die Speisengestaltung miteinfließen.

Der Eiweißbedarf im Sport liegt unabhängig von der Sportart bei

1,3 bis 1,8 g Eiweiß pro kg Körpergewicht.

Bei einer Sport-treibenden Person mit 80 kg Körpergewicht, die pro Woche 5 Trainingseinheiten absolviert, entspricht das einem Bedarf von 104 bis 144 g Eiweiß. Die Hälfte davon sollte über pflanzliche Lebensmittel aufgenommen (Brot, Gebäck, Teigwaren, Reis, Nüsse, Samen), der Rest kann über tierische Lebensmittel und Hülsenfrüchte zugeführt werden. In diesem Fall: 52 bis 72 g.

Um die Eiweißzufuhr über diese Lebensmittel besser einschätzen und planen zu können, werden tierische Lebensmittel und Hülsenfrüchte als sogenannte „Eiweißportionen“ berechnet:

1 Eiweißportion (10 g Eiweiß) entspricht:
Fleisch, Schinken, Fisch 50 g
Ei 1 Stk. Größe M
Milchprodukte

Milch, Buttermilch

Naturjoghurt 1% F.

Skyr, griechisches Joghurt 0-2 % F.

Magertopfen, Hüttenkäse

Käse 35 % / 45 % F.i.T.

300 ml

250 g

100 g

100 g

30 / 40 g

Hülsenfrüchte

Gekochte Kichererbsen, Kidneybohnen

Gekochte Sojabohnen, Tofu

Sojadrink, Sojajoghurt

120 g

80 g

300 ml

Diese Eiweißportionen sollten auf drei bis vier Mahlzeiten aufgeteilt werden.

Pro Mahlzeit ist eine Eiweißzufuhr von 0,2 bis 0,3 g hochwertigem Eiweiß pro kg Körpergewicht ideal.

Im Falle des Beispiels bedeutet das:

  • Bei 3 Mahlzeiten am Tag: pro Mahlzeit 0,3 g Eiweiß pro kg KG = 24 g Eiweiß pro Mahlzeit (=2-2,5 Eiweißportionen)
  • Bei 4 Mahlzeiten am Tag: pro Mahlzeit 0,2 g Eiweiß pro kg KG = 16 g Eiweiß pro Mahlzeit (=1,5 Eiweißportionen)

Eine höhere Eiweißzufuhr pro Mahlzeit ist nicht ratsam, da ab 40 g von einem „Muskel-voll-Effekt“ gesprochen wird und das überschüssige Eiweiß nicht dem Muskelaufbau dient, sondern in die Energiegewinnung und auch in die Fetteinspeicherung eingeschleust wird. Eine extrem erhöhte Eiweißzufuhr über längere Zeit ist auch aufgrund einer möglichen Belastung der Nieren, welche die Ausscheidung von Eiweißabbaustoffen übernehmen, nicht ratsam.

Protein-Timing

Drei bis vier Mahlzeiten am Tag sind ideal, um den Körper mit ausreichend Eiweiß zu versorgen. Eine Mahlzeit davon sollte als Post-Workout-Meal innerhalb von 30 bis 60 Minuten nach dem Training, spätestens drei bis vier Stunden danach eingeplant werden. Kurz vor dem Schlafengehen sollte die letzte Mahlzeit eingenommen werden, die ebenfalls Eiweiß enthalten sollte. Dadurch kann die Muskelproteinsynthese, die 24 bis 48 Stunden lang nach einem Training aktiv ist, optimal unterstützt werden. Wer mit vollem Magen nicht gut schläft, sollte zwei bis drei Stunden vor der Nachtruhe die letzte Mahlzeit einnehmen, um die Regeneration im Schlaf nicht zu beeinträchtigen.

Während nach dem Training schnell verfügbares Eiweiß empfehlenswert ist – allen voran Molkenprotein (Whey Protein), aber auch Erbsenprotein oder Kürbiskernprotein sind möglich – sollte vor der Nachtruhe auf langsam verdauliches Eiweiß (Casein, Sojaprotein) geachtet werden.

Um diese unterschiedlichen Proteinquellen zu nutzen, muss nicht zwingend auf Eiweißpulver zurückgegriffen werden. Milchprodukte enthalten Wheyprotein sowie Casein und können damit zur Eiweißversorgung beitragen:

Milchprodukt Eiweißanteil
Milch 80 % Casein, 20 % Whey
Griechisches Joghurt 0-2 % Fett Höherer Whey-Anteil als in Milch
Käse, Topfen, Hüttenkäse Vorwiegend Casein

Auch pflanzliche Eiweißquellen, vor allem Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen, versorgen die Muskulatur mit ausreichend Eiweiß.

Pflanzliche Eiweißlieferanten Durchschnittlicher Eiweißanteil in g pro 100 g
Kichererbse gekocht 9
Linsen gekocht 8
Sojabohne gekocht 15
Nüsse, z.B. Mandeln, Walnüsse 20
Samen, z.B. Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne 30
Haferflocken 13
Amaranth 14

Quelle: ÖNWT

Aufgrund der geringeren Eiweißqualität von pflanzlichen Lebensmitteln sollte bei pflanzenbasierter Ernährung vor allem darauf geachtet werden, über den Tag verteilt mehrere eiweißreiche Lebensmittel zu verzehren und miteinander zu kombinieren, um so im Tagesdurchschnitt ein passendes Aminosäurenprofil zu erreichen. So kann auch bei pflanzenbasierter Ernährung der Muskelaufbau optimal unterstützt werden.

Eiweiß + Kohlenhydrate

Nicht nur eine ausreichende Eiweißzufuhr nach einem Training ist für eine Leistungssteigerung notwendig, sondern auch eine angepasste Kohlenhydratzufuhr. Durch Kohlenhydrate steigt der Insulinspiegel im Blut an, wodurch katabole, also abbauende Körperprozesse, die durch ein intensives Training entstehen, vermindert werden. Gleichzeitig wird dadurch die Eiweißaufnahme in die Muskelzellen verbessert.

Beispiel: vegetarischer Tagesspeiseplan mit 6 Eiweißportionen, Eiweißzufuhr gesamt 117 g

Mahlzeit Uhrzeit Lebensmittel Eiweißportionen
1.    Mahlzeit 08:00 Haferbrei (mit Wasser zubereitet) mit 100 g Skyr und Beeren 1 Eiweißportion
2.    Mahlzeit 12:00 Kichererbsen-Curry mit Vollkornreis (120 g Kichererbsen)

Blattsalat mit Leinöl-Dressing

1 Eiweißportion
15:00 Training
3.    Mahlzeit 16:30 High-Protein-Oats

Zutaten:

·        100-150 ml Wasser

·        100 g griechisches Joghurt 2% Fett (1 Eiweißportion)

·        20 g Alpenpower® Whey-Proteinpulver Vanille (1,5 Eiweißportionen)

·        40 g Haferflocken

·        1 Prise Vanillezucker

·        Nach Belieben frische Früchte

Zubereitung:

Alle Zutaten in ein Schraubglas geben, mit dem Deckel gut verschließen und schütteln, sodass alle Zutaten miteinander vermischt sind. High Protein Oats für 1 Stunde quellen lassen, danach mit frischen Früchten toppen und als Post-Workout-Meal essen.

2,5 Eiweißportionen
4.    Mahlzeit 19:00 150 g Kräuter-Hüttenkäse mit Gemüsesticks und Vollkornbrot 1,5 Eiweißportionen

Zusammenfassung:

  • Eiweißbedarf: 1,3-1,8 g Eiweiß pro kg Körpergewicht unabhängig von der Sportart
  • Davon eine Hälfte über pflanzliches Eiweiß, den Rest über tierisches Eiweiß und Hülsenfrüchte decken
  • Eiweißzufuhr auf 3-4 Mahlzeiten pro Tag aufteilen
  • 30 bis 60 Minuten nach einem Training schnell-verfügbares Eiweiß (0,2-0,3 g pro kg Körpergewicht) und Kohlenhydrate zuführen

Weitere Infos zum Thema BCAAs (Branched-chain amino acids) erwarten euch im nächsten Blogbeitrag.

Autorin: Birgit Kogler BSc, Diätologin: https://www.ernaehrungsberatung-kogler.at/

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Quellen:

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Colombani P. (2021). Infoblatt Proteine. Swiss Sports Nutrition Society. Online im WWW unter: https://www.ssns.ch/sportsnutrition/naehrstoffe/ Letzter Zugriff am: 27.5.2022.

DGE, ÖGE, SGE. (2021). D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 2. Auflage, 7. Aktualisierte Ausgabe. Bonn.

Graumann L, Walter UN, Krapf F (2019) Regeneration. Jeden Tag erholt, ausgeschlafen und erfolgreich. Riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH, München.

König D, Carlsohn A, Braun H et al (2020) Proteins in sports nutrition. Position of the working group sports nutrition of the German Nutrition Society (DGE). Ernahärungs Umschau; 67(7): 132–9.

Lamprecht M, Holasek S, Konrad M et al. (2017). Lehrbuch der Sporternährung. Das wissenschaftlich fundierte Kompedium zur Ernährung im Sport. 1. Auflage. CLAX Fachverlag GmbH, Graz.

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